Bundestag berät den Berufsbildungsbericht 2020
Der Berufsbildungsbericht 2020 steht am Freitag, 11. September 2020, auf der Tagesordnung des Bundestages. Für die Debatte über den Bericht der Bundesregierung (19/19250) ist eine Stunde eingeplant, bevor er zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen werden soll. Beraten werden zudem erstmals auch ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Zukunft für Deutschlands Wohlstand – Berufliche Bildung stärken“ (19/22193) sowie zwei Anträge der Fraktion Die Linke zur Reform der Gesundheitsfachberufe und zur Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher (19/22120). Der erstgenannte Antrag der Linken wird federführend im Gesundheitsausschuss, der zweite Antrag der Linken federführend im Familienausschuss beraten. Darüber hinaus werden Anträge von Bündnis 90/Die Grünen mit den Titeln „Ausbildung in der Krise – Perspektiven für junge Menschen sichern“ (19/20165) und „Meisterstück für Gleichwertigkeit – Masterplan zur Stärkung der beruflichen Bildung“ (19/21721) behandelt. Die Anträge der AfD und Grünen sollen in den federführenden Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen werden. Abgestimmt wird über einen Antrag der FDP-Fraktion, die fordert, die Begabtenförderung für Auszubildende zu öffnen (19/3460). Dazu liegt eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung vor (19/17549). Ferner wird ein Antrag der Linksfraktion (19/19486) abgestimmt, der dazu auffordert, Auszubildende in der Corona-Krise nicht zu vergessen. Dazu hat der Bildungsausschuss ebenfalls eine Beschlussempfehlung vorgelegt (19/22220). Berufsbildungsbericht 2020 Die Situation auf dem Ausbildungs- und Berufsbildungsmarkt im Jahr 2019 hat sich unterschiedlich entwickelt. Die Zahl der Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger in der Berufsausbildung sei zwar trotz der demografischen Entwicklung einer immer kleiner werdenden Anzahl junger Menschen um 0,9 Prozent oder 6.400 gestiegen, heißt es im Berufsbildungsbericht 2020. Allerdings gelte dies nur für einige Bereiche. Dazu gehörten das Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen. Die Zahl neu abgeschlossener Ausbildungsverträge vor allem im Handwerk sowie in Industrie und Handel seien im vergangenen Jahr hingegen um 1,2 Prozent auf 525.100 zurückgegangen, so die Bundesregierung. Diese Entwicklung stelle die duale Ausbildung vor eine große Herausforderung, da die für diesen Ausbildungszweig traditionell sehr wichtige Gruppe der Schulabgänger mit niedrigem bis mittlerem Abschluss überproportional zurückgegangen sei. Anzahl der Schulabgänger sank Insgesamt betont die Bundesregierung, dass sich der demografische Wandel immer stärker bemerkbar mache. Das könne man unter anderem auch an der Anzahl der Schulabgänger insgesamt festmachen, die von 929.500 im Jahr 2009 auf 812.200 im Jahr 2018 gesunken sei. Positiv zu werten ist aus Sicht der Regierung, dass das von Politik, Sozialpartnern und Arbeitgebern angestrebte Ziel einer besseren Zusammenführung von Angebot und Nachfrage teilweise gelungen sei. Demnach lag 2019 in 87 der 154 Arbeitsagenturbezirke (56,5 Prozent) der Anteil der unbesetzten Stellen am betrieblichen Gesamtangebot unter dem Wert von 2018. Waren es den Angaben zufolge aber bislang im Wesentlichen regionale Ungleichgewichte, die zu Passungsungenauigkeiten geführt haben, sind es nun zunehmend berufsbezogene Ungleichheiten. Die Verschiebung hin zu höheren Schulabschlüssen führe bei den Jugendlichen zu einer veränderten Erwartungshaltung. Dabei gehe es vor allem um Reputation, Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen. Gleichwohl habe selbst die Anzahl der Studienanfängerinnen und Studienanfänger an Hochschulen nach regelmäßigen Zuwächsen bis 2017 erneut einen leichten Rückgang verzeichnet. Sie sei im Vergleich zu 2018 um 0,9 Prozent zurückgegangen, was auch auf den demografischen Wandel zurückzuführen sei. Gemeinsame Fachkräftestrategie Um das Problem des Fachkräftemangels generell anzugehen habe die Bundesregierung zusammen mit den Sozialpartnern, der Bundesagentur für Arbeit und den Ländern eine Fachkräftestrategie erarbeitet. Damit sollen inländische sowie europäische und internationale Fachkräftepotenziale branchenübergreifend in den Blick genommen und die Erwerbstätigen unterstützt werden. Gleichwohl ist laut Berufsbildungsbericht die Zahl junger Menschen ohne Berufsabschluss unter den 20 bis 34-Jährigen insgesamt auf 14,4 Prozent gestiegen, obwohl gleichzeitig die Quote für deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ohne Migrationshintergrund auf 8,3 Prozent zurückgegangen sei. Ein Grund für die Zunahme ist laut Bundesregierung der Zuzug von Flüchtlingen, die teilweise keinen formalen Abschluss hätten. Bei Migranten mit eigener Migrationserfahrung stieg der Anteil auf 32,9 Prozent. Antrag der AfD Die AfD fordert in ihrem Antrag (19/22193) unter anderem, diejenigen Ausbildungsbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern dauerhaft – und nicht nur während der Corona-Pandemie – finanziell zu entlasten, damit diese in die Lage versetzt werden, in wesentlich größerem Umfang auszubilden. Auch sollten Studien in Auftrag gegeben werden, um Erkenntnisse zu gewinnen, wie die Zahl der Ausbildungsbetriebe erhöht werden kann. Die Regierung solle sich ferner dafür einzusetzen, einen staatlich geförderten Fortbildungspool für Ausbilder in Ausbildungsbetrieben aufzustellen, um damit insgesamt die Qualität der Ausbildung zu verbessern und das berufliche Fortkommen der Auszubildenden zu sichern. Erster Antrag der Linken In ihrem Antrag mit dem Titel „Schulische Berufsausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin und zum staatlich anerkannten Erzieher reformieren" (19/22120) fordert die Fraktion Die Linke von der Bundesregierung, ein bundeseinheitliches Ausbildungsgesetz für den Beruf staatlich anerkannter Erzieherinnen und Erzieher auf den Weg zu bringen. Als Grund führt sie an, dass die auf Länderebene organisierte schulische Ausbildung im Vergleich zu dualen Berufsausbildungen nach dem Berufsausbildungsgesetz „äußerst unattraktiv" sei. Die Ausbildungsdauer für Erzieherinnen und Erzieher solle vier bis viereinhalb Jahre betragen. Dies sei gemessen an den sozialpädagogischen Anforderungen an das Personal geboten. Zweiter Antrag der Linken Die Linke fordert in ihrem zweiten Antrag (19/22120) ein bundeseinheitliches Ausbildungsgesetz für den Beruf „staatlich anerkannter Erzieher/Erzieherin“. Es gelte zu beachten, dass die schulische Ausbildung der Erzieher auf gleichem Niveau (DQR 6) liegen soll wie die akademische Ausbildung der Kindheitspädagogen. Es sei eine Ausbildungsdauer von vier bis 4,5 Jahren festzuschreiben. Nach dem Willen der Fraktion soll der Erzieherberuf zudem zu einem Mangel- und Engpassberuf erklärt werden, um mit gesonderten Maßnahmen den Zugang zu den Fachschulen und zu einer durch die Bundesagentur für Arbeit zu erleichtern. Zudem müsse ein Konzept zur Umschulung und für einen Quereinstieg in den Erzieherberuf entwickelt werden. Die Fraktion verweist darauf, dass bis 2025 mindestens 600.000 zusätzliche Fachkräfte allein in den Kindertagesstätten benötigt werden. Erster Antrag der Grünen Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert die Bundesregierung auf, die Ausbildung in der Krise zu sichern, um Perspektiven für junge Menschen zu erhalten (19/20165). Dazu soll eine Ausbildungsgarantie geschaffen werden, die die Warteschleifen des Übergangssystems überflüssig macht und allen jungen Menschen auch bei krisenbedingten konjunkturellen Schwankungen und sinkender Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft einen betrieblichen, über- oder außerbetrieblichen Ausbildungsplatz bietet. Ferner soll Kurzarbeit und sofortiges Kurzarbeitergeld in Höhe von 100 Prozent für Auszubildende ermöglicht werden, deren Betriebe und Branchen besonders von der Corona-Krise betroffen sind. So solle sichergestellt werden, dass Ausbildungsverhältnisse auch dort bestehen bleiben, wo die Auszubildenden nicht von starken tarifvertraglichen Vereinbarungen profitieren. Auszubildende sollten trotz Krise fair und ohne Einbußen entlohnt werden. Außerdem fordern die Abgeordneten, die Digitalisierung der beruflichen Schulen zu beschleunigen, indem 500 Millionen Euro aus dem Digitalpakt Schule pauschal und ohne aufwendige Antragsverfahren für die digitale Ausstattung im Klassenzimmer genutzt werden können. Auch berufliche Schulen müssten die Sommerferien für Update ihrer Infrastruktur nutzen können. Zweiter Antrag der Grünen Die Anerkennung von Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung soll zudem nach dem Willen der Grünen weiter vorangetrieben werden (19/21721). Die Fraktion setzt sich dafür ein, Forschungslücken zu schließen und im Rahmenprogramm empirische Bildungsforschung einen Schwerpunkt "Wege zu mehr Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung" zu verankern. Ferner soll die Internationalisierung der beruflichen Bildung vorangetrieben werden, damit schnellstmöglich mindestens zehn Prozent der Auszubildenden bei Abschluss ihrer Ausbildung einen Auslandsaufenthalt realisieren können. Abzustimmender Antrag der FDP Die FDP-Fraktion will „Spitzen-Azubis“ besser fördern (19/13460). Sie fordert die Bundesregierung unter anderem auf, verwaltungsrechtliche Regelungen zwischen dem Bund und den 13 Begabtenförderungswerken so zu ändern, dass den Begabtenförderungswerken die Aufnahme von Talenten in der beruflichen Aus- und Weiterbildung als Stipendiaten und Stipendiatinnen ermöglicht wird. Dabei sollen die Begabtenförderungswerke frei über die Öffnung und die damit verbundenen Auswahlverfahren und Angebote entscheiden können. Spezifische Auswahlkriterien sollen sie weiterhin eigenständig festlegen können, wobei ihnen bei den Auswahlverfahren keine zusätzlichen Kriterien auferlegt werden sollen. Stipendiaten und Stipendiatinnen aus der beruflichen Bildung sollen grundsätzlich gleichermaßen Zugang zu allen ideellen Förderangeboten der Begabtenförderungswerke erhalten. Den Begabtenförderungswerken will die Fraktion finanzielle Mittel für ein Inkrafttreten der Öffnung ab Beginn des Ausbildungsjahrgangs 2020/2021 zur Verfügung stellen. Die Mittel sollen jenen Begabtenförderungswerken zufließen, die sich für eine Öffnung ihrer Förderprogramme entscheiden, sodass die teilnehmenden Begabtenförderungswerke ihre Programme für mindestens zehn Prozent Stipendiaten aus der beruflichen Bildung öffnen können. Die Stipendiaten aus der beruflichen Bildung sollten mit jeweils 300 Euro pro Monat gefördert werden, heißt es in dem Antrag. Abzustimmender Antrag der Linken Die Fraktion Die Linke fordert die Bundesregierung auf, Auszubildende in der Krise nicht zu vergessen und eine Ausbildungskatastrophe abzuwenden (19/19486). Danach soll die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass der Vergütungsanspruch aus dem Berufsbildungsgesetz bestehen bleibt und die volle Ausbildungsvergütung für Auszubildende und ausbildungsintegriert dual Studierende für sechs Wochen weitergezahlt wird. Sollte Kurzarbeit unumgänglich sein, so ist das Kurzarbeitergeld auch für Auszubildende und ausbildungsintegriert dual Studierende laut Antrag auf 100 Prozent anzusetzen. Ferner soll die Verbundausbildung vereinfacht und finanziell gefördert werden, um Auszubildende und ausbildungsintegriert dual Studierende für den Zeitraum der Krise vor Kurzarbeit des eigenen Betriebs zu schützen und die Fortführung ihrer Ausbildung zu gewährleisten. Auch fordert die Fraktion, dass die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegt, um eine solidarische Umlagefinanzierung zu schaffen, die alle Betriebe für die Ausbildung junger Menschen in die Pflicht nimmt und Ausbildungskapazitäten krisensicherer macht. (rol/sas/ste/10.09.2020)...
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https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw37-de-berufliche-bildung-707902Zur Startseite